Bilder (m)einer Mutter (Life On Tape)

Filmprogramm, DE 2021, 79 Min., dt. OV + engl. UT

Von: Melanie Lischker

Wir freuen uns, dass Melanie Lischker zum Pornfilmfestival kommt.

Ein thematischer Fokus, das sich aus der diesjährigen Auswahlphase des Festivals ergeben hat, sind die großen Geheimnisse und unausgesprochenen Dinge zwischen Eltern und Kindern. Unter dem Titel „Familienaufstellung“ zeigen wir zwei Dokumentarfilme (gleich nach „Bilder (m)einer Mutter“ läuft „Anima – Die Kleider meines Vaters“) und den Spielfilm „Grand Jeté“.

Melanie Lischker begibt sich in ihrem Regiedebüt auf die Suche nach Spuren ihrer früh verstorbenen Mutter, die in unzähligen Super 8- und Videofilmen des Vaters festgehalten wurde. Mit Hilfe des umfangreichem Film- und Bildarchivs und der Tagebücher der Mutter erzählt die Regisseurin eine Nachkriegsbiografie und liefert so ein beklemmendes Psychogramm. Ihr gelingt eine ergreifende Familienaufstellung, die einen Einblick gibt in eine bundesrepublikanische Realität der 1950er bis 1990er Jahre, von der strengen, katholischen Erziehung, über die scheinemanzipierte Hausfrauenehe bis zur relativen Freiheit kurz vor ihrem Lebensende in der Krebsklinik.

Die Gedanken und Gefühle der Mutter geben einer Stimme einen Raum, den es in der deutschen Gegenwartsliteratur und Filmgeschichte davor selten bis nie gab. Gekonnt verknüpft die Filmemacherin die persönlichen Gedanken der Mutter mit der Lebensrealität von Frauen in der BRD, und zeitgeschichtliches Archivmaterial spiegelt prägnant ihre Lebenswirklichkeit. Die persönliche Geschichte wird zu einer universellen westdeutschen Frauenbiografie, aufgerieben angesichts einer erstarkenden Frauenbewegung und der eigenen Ambitionen, und doch gefangen zwischen Ehegattensplitting und der alltäglichen Carearbeit für Mann und Kinder. Die Geschichte von Lischkers Mutter steht exemplarisch für die Situation vieler Frauen, die zwischen Wunsch und Wirklichkeit oft zerbrachen.

Molly Shanker

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